Karma + ZDF

*Eine Reizwortgeschichte

Stell Dir vor, Du stehst da am Grenzübergang und der Typ da betet Dir eine lange Liste verpasster Gelegenheiten herunter, plus die Namen all Deiner inneren Schweinehunde und Lügen, langsam und einzeln. Und dann deutet er schweigend auf einen riesigen Haufen, der mit Falsche/Nichterfolgte Entscheidungen beschriftet ist. Daneben steht ein 18 Meter hoher Glasbehälter, auf dem Nutzlos verpuffte Energie steht. Der Typ sagt: Laut Plan hättest Du kleine Berge versetzen sollen. Und dann stempelt er Dir Einreise Abgelehnt in Deinen Karma-Pass und schickt Dich als Kuh zurück in ein winziges afrikanisches Kaff, wo es seit einem  Jahr nicht geregnet hat.

"DAS KANNST DU DOCH NICHT WOLLEN", brüllt Chris, und daß ich mich gefälligst mal zusammen reißen soll für die statistisch verbleibenden Jahre, und schüttelt mich wie einen Obstbaumast dabei. "Du bist gar nicht so Scheiße wie Du immer tust! Komm endlich in die Gänge! Nimm halt Tabletten, so wie alle anderen auch".

Und was passiert? Was mach ich? Nichts natürlich. Außer schluchzen.

Chris ist Schauspieler. Kein besonders guter, aber ein Häuschen am Starnberger See, eine Stadtwohnung in Berlin und einen Bungalow irgendwo in Thailand hat er sich immerhin erspielt. Chris ist einer dieser merkwürdig gesichtslosen Blondierten, die man seit Jahren mit aufs Traumschiff nimmt, als Teilzeitverlobten oder -Liebhaber in den Rosamunde Pilcher- und Inga Lindström-Reihen im ZDF oder als besten schwulen Freund in ARD-Vorabendprogrammen antreten läßt. Wenn Du beim Zappen auf Chris triffst, weißt Du, dass Du einfach schnell weiter zappen solltest. Das ist jetzt keine Bösartigkeit von mir, sondern ein Satz von Chris.

Keine Ahnung, als was er demnächst besetzt ist, aber sein Ausbruch gerade läßt darauf schliessen, dass er innerlich schon ein wenig in den Proben steckt. Brüllen und schütteln sind sonst nämlich gar nicht seine Art. Allerdings hat ihm seine Agentin neulich gesagt, dass er sich langsam auf Vaterrollen einnorden müsse und ihm die Karte eines bekannten Schönheitschirurgen in die Hand gedrückt. "Nur sicherheitshalber, Chrissischätzchen. Das machen inzwischen alle, da musst Du am Ball bleiben. Miesepetrige T-Falten kann sich bald noch nicht mal mehr als Kulturmagazin-Moderator leisten. Hast Du Dieter Moor in letzter Zeit mal gesehen? Ich wette um einen Abend im Grill Royal, dass der keine neue Maskenbildnerin hat. Botoxen, schneiden und zurren, darauf musst Du Dich einstellen."

Chris hatte fast geweint, als er davon berichtete. Danach war er für drei Wochen irgendwo in Brandenburg verschwunden und als er vorhin zurück kam, wirkte er ein bisschen wie glatt gebügelt, und blonder als vorher ist er jetzt auch... 

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