* Eine Reizwortgeschichte
Onkel Frank trauerte um Menschen, die
ich nicht kannte. Janis Joplin war mir so egal wie Jim Morrison und
Jimi Hendrix. Das änderte sich etwa zehn Jahre später, aber als sie
starben, war ich gerade in die Grundschule gekommen und bei uns
daheim spielten sie ganz und gar andere Musik als Onkel Frank. Aber
wenn er traurig war, war ich es auch und in jenem Jahr weinte er
viel.
Papa regte das auf. In seiner Welt
weinten Männer nicht und wenn doch, nannte er sie Tränentrine,
Heulsuse oder Detlev. Eines Sonntags so um die Kaffeezeit herum
rastete er schließlich aus. Brüllte „Jetzt komm mal klar, Du
wachsweicher Gammler“, und ging mit der Haarschneidemaschine auf
Onkel Frank los. Der weinte weiter und wehrte sich nicht, und das war
es dann für die schönen, schulterlangen schwarzen Locken, mit denen
ich so gerne gespielt hatte.
Danach sah ich Onkel Frank für eine
lange Weile nicht. Er sei wieder in Nordafrika, hieß es. Angeblich
war er einfach so, ohne Abschied in seinen VW-Bus gestiegen und
zurück nach Marokko gefahren.
Papa log. Da war ich mir sicher...
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