* Eine Reizwortgeschichte
Vor fünf Jahren hatte Koslowski als
Mensch bei Maischberger gedröhnt „Wir leben vom Input der Kunden“.
Und nun war sie da – die erste Ganzkörper-Rüstung, die nicht mehr
wog als durchschnittliche Thermo-Unterwäsche. Zwar noch nicht ganz
Tropen-tauglich, aber das würde sich ändern, sobald der zweite
Sponsor mit Interesse an feucht-warmen Einsatzgebieten an Bord kam.
Einstweilen würden aktuelle und
anstehende Konflikte in Gegenden mit Kontinentalklima mehr als
ausreichende Mengen Geldes in die Kassen spülen. Spätestens nach
der Präsentation im Braunkohlerevier bei Görlitz nächsten Monat
würden auch die letzten Chinesen, Russen und Amerikaner überzeugt
sein und zumindest für ihre Eliteeinheiten und klandestine
Kampfverbände bestellen.
Bis zur Erschließung des weltweiten
Massenmarktes würde es noch einige Jahre dauern. Da war Koslowski
Realist. Doch während Polizei und gewöhnliche Gangs allein schon
aus Kostengründen erst einmal nicht auf dem Plan standen, hatte die
Marketing-Abteilung neben paramilitärischen Organisationen eine
weitere Zielgruppe jenseits offizieller Verteidigungs- und
Heimatschutz-Etats ausgemacht: Paranoide Privatpersonen.
Die Ergebnisse der ersten Fokusgruppen
unter Leitung von Prof. Dr. Wolf Schlossarek, genannt Wolf, Berlin,
Beijing, New York, Mexico City und St. Petersburg jedenfalls gaben
Anlass zu optimistischen Hoffnungen. „Varus“ kam an. Was nicht
zuletzt daran lag, dass die Ganzkörper-Rüstung selbst unter
Sommerbekleidung nahezu unsichtbar blieb. An einer halbwegs modischen
Unterbringung des automatisch aufpoppenden
Kopf/Halswirbelsäulenschutzhelms musste die Entwicklungsabteilung
allerdings noch feilen.
Die wurstförmigen
Schal/Halskrause-Hybriden der ersten Generation waren einfach nicht
schick genug, genauer gesagt passten sie nicht so recht zu den
Bekleidungsgewohnheiten von Wirtschaftsbossen, Bankern,
Rechtsanwälten und Politikern. Bei Kunst- und Kulturschaffenden,
Medien- und Werbemenschen hingegen hatte es kaum Kritik gegeben.
Spötteleien über den Produktnamen von
einigen Deutschen („Varus, der große Verlierer der
Hermannsschlacht, höhöhö. Wenn das marketingtechnisch mal nicht
nach hinten los geht. Fertigung im Teutoburger Wald, was? Höhöhö
...) ja, aber am Konzept und der Umsetzung des 'unsichtbaren
Schutzhelms' auch sie nichts auszusetzen.
Spott wie dieser prallte ab an
Koslowski. Fragen des Markenkerns und Namensfindung sah er
inzwischen gelassen. Hauptsache es gab keinen rechtlichen Ärger wie
damals, als Koslowski noch in hochwertiger Damenunterwäsche machte
und dem China-Marketing nichts besseres eingefallen war als „Der
BMW unter den BHs...“
Heute klangen die Beijing-Boys deutlich
pragmatischer. Für ihre Präsentation von Varus hatten sie sich für
kompletten Klartext entschieden: „Was nützt eine kugelsichere
Weste, wenn der Feind Dir in den Kopf, Hals oder den Unterleib
ballert? Sei vorbereitet und plane professionell. Egal ob beim
Terroranschlag oder Tellerwaschen...“
Erste Tests in mehr oder minder
alltäglichen Szenarien waren erfolgreich verlaufen. Sorgenkind war
und blieb jedoch die Reaktionszeit des Kopf/Hals-Schutzes bei
Erschießungsversuchen am Krankenbett in Intensivstationen...
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