* Eine Reizwortgeschichte
Hier enden die
Sprachaufzeichnungen. Den weiteren Verlauf ihres ersten und letzten
Tages beim Oberst hat das Opfer offenbar nicht dokumentiert. Der ihr
zugewiesene Arbeitsplatz liefert keine Hinweise: Im Posteingang des
tragbaren Rechners befinden sich drei knappe Memos, im Spamfilter die
üblichen Schreiben der Uhrenfälscher, der Trickbetrüger aus Afrika
und Asien, die unvermeidliche Werbung für Penisverlängerung. Der
Postausgang ist leer. Keine Bookmarks, keine Historie besuchter
Internet-Seiten.
Ein
Wegwerf-Handy sowie zwei persönliche Briefe aus der Handtasche des
Opfers bestätigen die Vermutung, dass sich die Frau unter
Vorspiegelung falscher Tatsachen über die Zeitarbeitsfirma unseres
Vertrauens beim Oberst eingeschlichen hat. Bei Meldebehörden und der
Sozialversicherung existiert keine Person dieses Namens.
Schnelle
Internet-Recherchen deuten auf ein planvolles Vorgehen: Profile bei
Xing, LinkedIn, Accounts bei Facebook, Flickr, Tumblr; launige
Geschichten über zeittypisch verstörte Ex-Liebhaber,
Küchengerätschaften und Lieblingsserien in einem Erinnerungsforum
an die 80er Jahre... Thesenpapiere und Präsentationen zur
Sicherheitspolitik der deutschen Energiewirtschaft, Kommentare auf
den einschlägigen Plattformen.
Wer sich hinter
der Tarnidentität verbirgt und welche Ziele sie verfolgte, wird sich
hoffentlich bereits in den nächsten Tagen ermitteln lassen. Wobei
die Nachforschungen reine Formsache sind. Staatliche Stellen werden
wir, den Statuten gemäß, nicht informieren.
Laut Auffassung
des Cleaners, einer ehemaligen Pathologin der Charité, war das Opfer
bereits drei Stunden nach ihrem Antrittsgespräch beim Oberst tot und
hat danach noch etwa zwei Stunden im Becken mit den großen
Tauchsiedern gelegen.
Im Grunde
interessieren uns weder der Echtname noch ihre tatsächliche Vita.
Die einzige Frage von Bedeutung ist, ob 'Jana Krischke' auf eigenes
oder fremdes Geheiß aktiv war und welcher Organisation sie zuletzt
angehörte. Der Oberst hat viele Feinde, dieser Tage. Wir werden uns
beeilen müssen.
Auch weil
sämtliche offenen Fälle bis zum Jahresende abgeschlossen sein
sollen, allen voran der Alpbiersbacher Samenraub. Letzterer
beschäftigt unser Team nun schon seit 3 Tagen – also deutlich zu
lange für den Oberst, zu dessen weitverzweigter Sippe der Beraubte
gehört. Außerdem gehören Ludger Thyman – über raffinierte
Holdingstrukturen, versteht sich – je knapp 25 Prozent der Ukraine
und Aserbaischans.
Die Material zur angeblich
„unrechtmäßigen Einverleibung genetischen Materials“ umfasst
fast 700 Gigabyte. Was vor allem daran liegt, dass Thymann seine
sexuellen Begegnungen des letzten Jahres stets auf hochauflösenden
Videos in Studioqualität festgehalten hat. In jedem anderen Fall
wäre das eine willkommene Abwechslung in unseren gewöhnlich eher
tristen Ermittleralltag. Aber was Ludger Thymann da mit Fleiß und
Eifer treibt, ist einfach kein Spaß. Weder unterhaltungstechnisch
noch unter instruktiven oder ästhetischen Gesichtspunkten. Darin
sind wir uns einig, ausnahmsweise.
„Das Verzeichnis heißt „Verstörender
Sex“. Auswerten! Pronto!“ Als der Oberst uns die schwarz gelackte
Festplatte auf Tisch knallte, hatte wohl jeder von uns An- oder
Erregendes erwartet. Ob er zuvor selbst einen Blick in die
durchnummerierten Filmchen geworfen hatte? Schwer zu sagen. Wir
jedenfalls waren ein bisschen sauer über den Etikettenschwindel, vor
allem aber über die Verschwendung echter Lebenszeit.
Nach unzähligen „ Lang-wei-lig! Och
NÖÖÖH, nicht schon wieder... Menno... Nu mach hinne, Ludger...“ sind wir inzwischen im letzten Drittel der Dateien. Und
selbst Magnus, den sonst so leicht nichts erschüttern kann, steckt
mental irgendwo zwischen Traumatisierung und Schwerstüberdruss.
„Menschenskind. Jetzt heult er wieder und beobachtet sich
dabei im Spiegel... Hey, warte mal, was ist das denn? Volker, komm
mal schnell, das musst Du sehen!“
Magnus und ich starren ungläubig auf
den Bildschirm: Die Frauenfinger, die sich jetzt auf Thymans schäbige
Schenkel legen gehören der Person, die wir als Jana Krischke kennen,
und die schaut selbstbewusst direkt in eine der versteckten Kameras.
„Sag mal, zwinkert die etwa?“ ruft
Magnus. Tatsächlich. Die Frau zwinkert und grinst uns an, als sie
Thyman energisch in eine liegende Position zieht und seine Beine
anhebt. Sie greift zu einer bereit stehenden Flasche und verteilt
großzügig eine klare Flüssigkeit auf Thymans behaartem Hintern,
reinigt die Falte, und arbeitet sich mit langsamen, routinierten
Bewegungen an seine Testikel heran...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen