Stundenhotel + Cutter

  * Eine Reizwortgeschichte
Die gegnerische Partei hält mich für eine Null. Unter normalen Umständen würde mich das kränken, in diesem Fall jedoch kommt mir Geringschätzung sehr gelegen.

Wüssten die Massenmedien davon, wären Wörter wie Vorstand, Viererbande und Stundenhotel in der Erstmeldung sicher ebenso fett gedruckt wie die eingeklammerte Zahl 71. Aus Gründen der Dramaturgie und schierer Freude an Alliteration würde Viagra in der Reihung gewiss nicht fehlen, obwohl auch das frei erfunden wäre.

Aber so funktioniert das Spiel nun einmal. Über den Kurs von drei bis acht Tagen kocht die kollektive Empörung hoch, spätestens Anfang der Woche zwei liegen passend populistische Aussagen der Opposition, assortierter Minister und des Kanzleramtes vor sowie krokodiltränige Rücktrittsmeldungen. 

Bisher ist es gelungen, die Vorkommnisse jener Nacht komplett unter dem Deckel zu halten. Ob und wann die so genannte Öffentlichkeit davon erfahren wird, ist jedoch eine reine Frage des Geldes. Das Wie ist längst entschieden. 
 
Derzeit setzt die gegnerische Partei darauf, dass das Video außer ein paar peinlichen Kleinigkeiten nichts zeigt, was ein mittelmäßig begabter Spin Doctor nicht innerhalb weniger Tage zurechtbiegen könnte. Mit mild moralin-saurer Entrüstung der Gewerkschaften, Frauenverbände und der Schwätzrunden bei Will/Illner/Plasberg lässt sich leben. Das lehrt die Erfahrung. Der Austausch einiger Funktionsträger richtet üblicherweise keine systemischen Schäden an und so ist nach einigen Wochen alles wieder im gewohnt ungestörtem Fahrwasser.

Was die Investition läppischer 7.000 Euro in einen Cutter und indische Bildbearbeiter aus dem Überwachungsfilmchen gemacht haben, dürfte jedoch nicht nur das Vorstellungsvermögen der verschiedenen Vorstände und ihrer Vasallen in Brüssel übersteigen.

Was genau die Herren Wuttke, Habersehl, Broughton-Smythe, Lapouchon, Vendutti und ihre schlitzäugigen Verhandlungspartner in jener Nacht tatsächlich gesagt und getan haben, mag unappetitlich sein. Letzlich aber ist es unerheblich.

Unter der kundigen Regie meines Mandanten zeigt das Video nun nichts weniger als die Komplettdemontage abendländischer Arroganz. Die Botschaft ist klar und quer über alle Bildungs- und Einkommensschichten hinweg unmissverständlich: Die Chinesen haben Europa am verrunzeltem Sack…

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