Terpentinersatz + Kanzleramt

* Eine Reizwortgeschichte


Politik ist ein schmutziges Geschäft. Das wusste Jeder und so schrieben die Menschen im Regierungsviertel gerne Sätze wie „Erstickt an Eurem Dreck“ oder „Suhl weiter Sau“ an die Wände. Mit Terpentinersaz war dem Geschmiere nicht beizukommen, nicht mit echtem Terpentin und mit Seifenlauge gleich gar nicht. Irgendwann, spätestens aber nach dem dritten Fassadenanstrich gab jeder Hausbesitzer auf.

Taubert war da anders. Und außerdem so etwas wie ein Altruist. Er steckte einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens in die Beseitigung von uninspirierten Wandsprüchen und Tags in Tiergarten-Mitte und ging mit seinen Dienstleistern auf Tour, wann immer es die Zeit erlaubte. 

In Hausbesitzerkreisen erntete er dafür nicht nur Dankbarkeit und Lob. Denn Taubert war selektiv bei der Beseitigung. Streetart, die er mochte, blieb von seinen Säuberungsaktionen unberührt. Und so gab es nicht Wenige, die heimlich darauf spekulierten, eines Morgens aufzustehen und auf Wände in kostenlos wieder hergestellter Jungfräulichkeit schauen zu können. Nach sechs Wochen (bei optimistischeren Gemütern konnte es auch mal bis zu vier Monaten dauern ) vergeblichen Wartens überzogen sie Taubert dann meist mit Häme und Hass.

Auch im Kanzleramt hatte man einige Wochen gehofft und schließlich sogar mit wenig dezenten Hinweisen an ihn hin gearbeitet. Doch Taubert blieb hart. Das acht Meter lange und drei Meter hohe Gemälde auf der Betonwand zur Spree hin gefiel ihm einfach: Hunderte von bekannten Politikern und Lobbyisten in einer riesigen Schlammschlacht zwischen der Skyline von Shanghai und abgefackelten Windrädern... Von der Aussage her vielleicht ein bisschen zu einfach und platt für seinen Geschmack, aber an der Ausführung gab es nichts zu meckern. Keine Frage, diese Crew konnte was.

 

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