Im Schrank für immer


Timmy hat einen neuen Job. Er macht jetzt wieder irgendwas in Mode und wäre selbst das perfekte Modell für diese Haarspray-Reklame, in der es immer heißt 'die Frisur hält'. Aber die werben ja noch nicht offen mit Schwulen.

Seit einiger Zeit ist Timmy ständig zwischen Tokio, Mailand, Paris, New York und Shanghai unterwegs. Wenn er mal in Taipei ist, ist er meist von Meimeis umschwärmt, die in die Modebranche, in die Medien oder aber Popstar werden wollen. Meimeis sind offensiv tuckig, und so gern man sich als erwachsener, normal sozialisierter Homosexueller mal eine dieser „kleinen Schwestern“ mitnimmt, so dämlich findet man sie im Grunde, und vor allem peinlich.

Outfits, die regulär erst von 5.000 Euro aufwärts zu bekommen sind, bezahlen Meimeis vom Taschengeld bzw. gleich mit Muttis Kreditkarte. Die Malls sind voll Meimeis dieser Tage. Fast könnte man meinen, es gäbe nur noch kichernde, lispelnde, steinreiche Jungtucken in Taipei. Für Timmy's Geschäft sind sie selbstverständlich großartig.

Selbst war Timmy wohl nie eine Meimei. Dafür war er als Kind kurzzeitig fast mal fast ein Star. Damals sah er so aus wie dieser niedliche Chinesenjunge aus der Breeze-Toiletten-Beduftungswerbung, der sich die Nase zuhält und synchronisiert sagt '….puh, das stinkt'. Mit Werbefilmen war auch Timmy zuerst bekannt geworden. Dann kam eine wichtige Nebenrolle in einer zigteiligen Familienserie, naseweise Auftritte in allen wichtigen Talkshows; gefolgt von einer richtig guten, ernsten Rolle in einem Film, der immerhin den dritten Preis bei den Golden Horse Awards machte.


Mit dem Einsetzen der Pubertät wurde Timmy fett und pickelig, zusehends unniedlicher und das war's dann erst mal mit der Filmkarriere. Erst durfte er noch ein bisschen synchronisieren, aber auch das hörte irgendwann auf.

Spätestens beim Abbrummen der Wehrpflicht wurde Timmy klar, dass Mädchen seine Sache nicht sind, von Frauen ganz zu schweigen. Als guter Sohn einer konservativen Familie kam ein Coming Out nicht in Frage, und so präsentierte er hie und da eine „Freundin“ daheim. Ging auch immer wieder artig zu den, von Eltern, Tanten oder Schwestern anberaumten Matchmaking-Treffen mit möglichen Heiratskandidatinnen.

Abends und nachts zog er durch die Saunas, Bars oder bot sich im Neuen Park an. Immer auf der Suche nach einem Mann, der bei ihm bleiben wollte. Wollte aber keiner. Was vielleicht daran lag, dass Timmy nach der zweiten oder dritten Begegnung immer gleich von Liebe und Perspektive sprach...

Irgendwann ging Timmy in die USA. Offiziell um einen MBA zu machen. Inoffiziell, um dem erdrückenden Arm der Familie zu entkommen. Er nahm an die 20kg ab, schaffte sich Muskeln an und fand Mitte der 90er irgendwo in der Bay Area dann endlich einen Mann, der ihn liebte. Das Leben war gut. Zumindest für eine Weile. Timmy begleitete David noch fast 3 Jahre beim langsamen Sterben und ging dann zurück nach Taiwan, weil er es allein in Kalifornien einfach nicht mehr aushielt.

Das ist jetzt zwei Jahre her. Einen festen Freund hat er zwar noch nicht wieder gefunden, aber das sei o.k., sagt Timmy. Zu den Verkuppelungs-Treffen geht er immer noch, „…immer charmant und mit innerlichem Zähneknirschen“...

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