20 Minuten bis Heimstetten



Aus Gründen bin ich in den letzen Wagen der überfüllten S-Bahn geraten. Und in einem Kinderhort auf Ausflug. Rund 20 Kinder zwischen geschätzten knapp zwei und vier Jahren, etliche Mamis und bezahlte Betreuerinnen, zahllose Steppjacken, Rucksäcke, Brezntüten, zwei superbreite Mehrkinderwagen ohne brauchbare Bremsvorrichtung, Kreischen und Greinen galore, und ich mitten drin.

Die Sprechfähigkeit der Kinder ist unterschiedlich ausgeprägt. Gehörgeschädigt scheint keines zu sein, die Brüllerei einer der Erzieherinnen täte also eigentlich nicht Not.
"Felix, soag, wo fahn mer hi ?"
"Feuerwehr, Heimstetten, Feuerwehr", schreien gleich zwei blonde Buben zurück.

Felixe gibt es in unmittelbarer Nähe drei, Klaras zwei und dann noch ein dauerheulender Bub mit richtig blödem Namen. „Ke-An-Oh, jetzt iss aba gnua...“ so raunzt ihn eine Evilein gerufene Frau immer wieder an, während sie ihn fest an ihren Doppel D-Busen drückt und ihm auf dem Kopf herum patscht. Klein-Keanu kann mit solch gemischten Signalen offenbar nichts anfangen. Er unterbricht sein Heulen erst, als ihn Evilein an seinen ausgestreckten Armen hoch hievt, aushängen lässt und in einen der Mehrkinderwagen stopft. Bayrisch hab ich noch nie gekonnt. Noch zehn Minuten bis Heimstetten.


Eine der Klaras hat bösen Husten und spuckt jetzt neben Schleim auch Brezn-Stücke durch die Gegend. Tempos sind aus, also putzt Betreuerin Rike („Rikeee, hast Du dem Moritz sei Sackerl g'sehn…?“) Klara den Mund mit einem gebrauchten Papiertaschentuch. Erstaunlich reißfest, denke ich. Mit demselben Tempotuch haben vor ein paar Minuten erst einer der Felixe und die andere Klara ihren Schnodder von Nase und Mund gewischt bekommen. Noch sieben Minuten bis Heimstetten.

Klaras Husten macht Pause. Rike greift sich das elfenhaft-zarte, jüngste Kind der Gruppe, das noch nicht so recht laufen kann, aber definitiv auch wegen seiner extremen Niedlichkeit von Frau zu Frau gereicht wird. "Isadora, Isisisi, i könnt di glatt auffressen, so liab hoab i di..." singt Rike und busselt das Baby auf die Wangen, die Stirn, den Mund und die Haare.

Klaras Husten verwandelt sich in reguläres Gekötzel. Keanu heult wieder. Einer der Felixe verlangt unermüdlich und lautstark nach Bananen. Moritz tritt Rike vor’s Schienbein, bekommt eine Kopfnuss und schreit, als werde er abgestochen. Die Zwillinge, die bisher wie sediert in ihrem Wagen lagen, obwohl der mehrfach durch den Gang schlingerte, wachen auf und plärren um die Wette. Noch knapp drei Minuten bis Heimstetten.

Nervöse Hektik rollt durch den Waggon. Geschätzte 17 Kinder müssen noch in Jacken und Brezntüten in Rucksäcke verpackt werden; and auch das Einsammeln inhaltsschwerer Taschentücher, Bananenschalen und Plastikflaschen will erledigt sein. „Geh zua, geh zua…“. Mit festen Griffen und kleinen Klapsen treiben Evilein, Rike und die anderen Frauen ihre Schar zusammen und schliesslich raus auf den Bahnsteig von Heimstetten.

Die S2 fährt weiter nach Grub und Poing, Linienende ist in Erding. Da nennen sie ihre Kinder wahrscheinlich auch nicht mehr Svenja und Jens, geschweige denn Sepp oder Annamirl wenn sie überhaupt noch welche machen..., denke ich so vor mich hin. Reproduktion und öffentlicher Nahverkehr im Raum München. War und ist beides nichts für mich. Aus Gründen.
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