Dunkelkammer + Orange

*Eine Reizwortgeschichte -- heute mit Begriffsbvorgaben von Miriam aka /Miri_Berlin)

Als Therapeut lernt man früh, dass die Mehrheit der Patienten auch bei der Wahl ihres Seelenklempners auf Meinungsführer hört. Mit etwas Geduld und Geschick beim Netzwerken ist es dann nicht sonderlich schwer, in Sachen Psyche quasi ein Markenartikel zu werden. Langfristig betrachtet ist das dem Kontostand jedoch deutlich zuträglicher als dem Gefühl der Sinnhaftigkeit eigenen Tuns. Gerade als Liebling der B-Prominenz hört man mehr Unfug, als man auf Dauer mit professioneller Distanz ertragen und verarbeiten kann.

Vermutlich ahnen Sie bereits, wer ich bin. Tun Sie nicht? Dann sind Sie wahrscheinlich weder ein Konsument der Klatschpresse, noch gehören Sie zu den regelmäßigen Besuchern der Berliner Lokale, die ihr Geschäft mit reichen, mittel- bis richtig alten Künstlern, Rechtsanwälten, Politikern, Fernsehgestalten und deren Friseuren machen. Gestatten: Wolf Schlossarek. Professor Doktor. Aber lassen Sie die Titel ruhig weg. Nennen Sie mich einfach Wolf. Das tun Patienten wie Wehmeyer schließlich auch.

Wehmeyer ist ein besonderer Fall. Ihn treibt weniger echter Leidensdruck als die Lust am eigenen Leiden. Geteilter Schmerz beflügelt den kreativen Prozess, findet Wehmeyer und so kommt er Woche für Woche mit frisch ausgedachten seelischen Wehwehchen zu mir. Aktuell leidet er darunter, dass kaum noch jemand Bilder kauft, die in der Dunkelkammer entstehen. Vor allem bei Akten fehlt ihm die Sinnlichkeit traditioneller Belichtungs- und Entwicklungsprozesse. Das Digitale quält ihn. „Am Monitor springen Dir die Leiber einfach so ins Gesicht. In der Dunkelkammer näherst Du Dich der Körperlichkeit allmählich, fast so, als würdest Du langsam umworben und verführt, und wenn die Haut am Ende Dellen hat wie eine angematschte Orange, dann ist es Dir egal, denn Du bist verliebt. Photoshop tötet die Erotik! Es beschleicht mich mit kaltem Elend und bei jedem Pixel wird mir eisiger ums Herz. Wolf, ach Wolf, hilf...“

Dabei ist Wehmeyer eigentlich nur Hobbyphotograph und Freizeitpathetiker. Sein Geld verdient er als Chefjurist eines bekannten PR-Unternehmens, das auf Lobbyarbeit für die Pharmaindustrie spezialisiert ist...




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