Lehrgeld für Hamish

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Die Scheidung als solche sei gar nicht so teuer gewesen, meint Angel, die sich jetzt wieder Bihua nennt, und kollert ihr hartes Lachen. "Hey, 600.000 Dollar US ist doch nicht zuviel dafür, dass ER mich endlich los ist, oder?" Auch von den Wohnungen, dem Schmuck, den Autos und dem anderen Besitz, die ER ihr bereits im Lauf der Zeit vor der Scheidung „überlassen“ hat, redet sie am Rande. Das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will, auch nicht, dass ER jetzt eine belgische Frau bumst, wieder richtig arbeiten muss, usw. usw.  Die Begegnung mit Angel und ihr unaufgeforderter Update sind mir so schon unangenehm genug.

ER ist nämlich mein leicht durchgeknallter Kumpel Hamish. Und der wäre jetzt nicht nur durchgeknallt, sondern dazu noch völlig pleite, hätte ihm der Tod seiner Großmutter nicht ein unerwartetes Erbe beschert. Unerwartet, weil er eigentlich enterbt worden war. Wie viele seiner Freunde und Verwandten hatte Hamish's Oma nämlich nichts von Angel gehalten. Beim ersten Zusammentreffen daheim in den Midlands soll die alte Dame bereits nach einer Stunde befunden haben, Angel sei eine verschlagene, geldgierige Chinesenschlampe, zu alt, zu hübsch, zu schlau, zu un-britisch, zu low-class... Wenn Hamish sich mit so einer unbedingt unglücklich machen wolle, dann müsse er das eben ohne ihren Segen tun.


Das tat er dann auch. Verliebt und voll in der Gewalt der pussy power heiratete Hamish (damals 25) einige Wochen nach Grandma's Standpauke die acht Jahre ältere Yang Bihua in einer einfachen Zeremonie vor dem Taipeier Standesamt. Ansprache hören, drei Mal verbeugen, unterschreiben, zapp. Verwandte aus England waren keine dabei, auch keine aus dem Kreis Tainan. Den Kontakt zu der Tagelöhner-Familie, aus der sie stammt, hatte "Angel" Bihua schon vor Jahren abgebrochen, behauptete aber stets, sie sei Waise.

Die ärmliche Herkunft vom Lande ist ihr selbst heute noch anzumerken, denn im Gegensatz zu ihrem Äußeren und Auftreten hat sie an Diktion und Bildung nichts getan. Am Anfang der Ehe (die übrigens nur fünf Monate nach dem Samstag geschlossen wurde, an dem Angel den, im Männer-Frauengeschäft recht unerfahrenen Hamish in einer Ausländerkneipe aufgerissen hatte) störte der unterschiedliche Klassen- und Bildungshintergrund nicht. Denn Angel trieb ihren Mann derart die Karriereleiter hoch, dass er kaum jemals daheim war. Und wenn er doch mal Zeit zuhause verbrachte, gab es großartiges Essen und prima Sex, und alle waren zufrieden. Kinder störten dabei nicht. Angel konnte keine mehr bekommen, aber das wußte Hamish nicht.

Irgendwann hatte Hamish ein kleines Erfolgsplateau erreicht. Dank einer feinen Abfindung hatte er zum ersten Mal Zeit, sich intensiv um seine Frau und seine Hobbies zu kümmern. Das war Angel überhaupt nicht recht, denn mit dem dauernd anwesenden Mann und gekürztem Taschengeld wurde es recht schwierig, ihren Lebensstil beizubehalten. Der hatte im Wesentlichen darin bestanden, mit Freundinnen zum Shopiing und ins Spa zu gehen, viel Mahjong zu spielen und abends durch die schickeren Clubs zu ziehen. Jetzt sollte sie sich mit Malerei und Jazz beschäftigen, Segeln lernen, den Garten selber pflegen, täglich selber kochen...

Als Hamish auch nach sechs Monaten noch keine Anstalten machte, sich einen neuen Job zu suchen und ihr ihre Ruhe zu lassen, ging Angel in die Offensive. Sie begann ihn systematisch zu beschimpfen und zu demoralisieren, wobei sie gekonnt die gesamte Palette zwischen Nöhlerei und Großdrama bediente. Hierzu muss man wissen, dass das Verfahren der skalierten Dauerbeschimpfung bei taiwanischen Ehefrauen recht beliebt ist: Irgendwann flüchtet der Gatte vom kaskadenhaften Gekeife genervt und entkräftet aus dem Haus -- idealerweise in die Arme einer anderen Frau, denn dann kann man als Gattin Kompensation für erlittenes Unbill einfordern.

Hamish ist ein gutmütiger, geduldiger, und auf seine Art sehr empfindsamer, loyaler Kerl. Gegen Angel hatte er keine Chance. Nie eine gehabt. Als er sich nach zwei Jahren der Dauerdemütigung schließlich doch scheiden lassen wollte, spielte ihm Angel erst eine Schwangerschaft und später dann die grauenvoll an Fehlgeburt und Kindesverlust Leidende vor. Das war noch einmal für einige Jahre Versorgung und einen britischen Pass gut.

Irgenwann ging Hamish mit einem Freund auf eine mehrmonatige Segeltour. Seinen persönlichen Siegelstempel hatte er dummerweise nicht mitgenommen. Siegelstempel gelten in Taiwan immer noch mehr als persönliche Unterschriften. Weil sie schwerer zu fälschen sind, so heißt es. Als Hamish zurück kam, waren das Haus und die Wohnungen auf Angels Namen überschrieben. Das Hauptkonto war abgeräumt, Angel abgetaucht und somit nicht greifbar.

Niemand weiß so recht, warum Hamish sie damals nicht hat strafrechtlich verfolgen lassen. Sentimentalität vielleicht. Oder die fatalistische Auffassung, dass man Lehrgeld eben bezahlen muss.

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